Dr. phil. Rüdiger Koch
Transformationsprozesse und Lost Contents
Aktualisiert: 8. Nov. 2020
Unsere Aufmerksamkeit wird häufig gebunden durch das tagesaktuelle Momentum.
Zeitraffergleiche Entwicklungen verdunkeln den Raum für eine diskursbasierte,
ergebnisorientierte Kulturpolitik. Dieses erinnert an die Heisenbergsche
Unschärferelation, wonach Ort und Impuls eines Teilchens nicht gleichzeitig bestimmbar
sind.
Wie können wir dennoch verstärkt Verantwortung übernehmen und das Gewicht unseres
kulturpolitischen Handelns mehren? Verfallen wir nicht, so eine Antwort, in die
Kurzatmigkeit des Augenblickes oder in eine Überschriften erhaschende
Paradigmenwechsel-Labelei, die einem mehr Schwindel als Erkenntnisgewinn beschert.
Gehen wir der Reflexion nach und folgen nicht dem Impuls eines allzu schnellen
Reflexes. Beim inhaltlichen Sieben und Sichten während eines strukturierten Diskurses
dürfen wir dafür Fundstücke von gesellschaftlicher Relevanz erwarten.
Die DenkAkte versteht und öffnet sich als ein hierfür bestimmter Kommunikations- und
Begegnungsraum. Sie lädt ein zu einem inhaltlich strukturierten Diskurs zur Gestaltung
unseres menschlichen Zusammenlebens, als Ausdruck jeder gelebten gesellschaftlich
Praxis. Aus der seismografischen Neugier und den ermöglichten Begegnungen kann
Unerwartetes wie gemeinsames Handeln erwachsen (Almuth Fricke).
Zeitraffergleiche Transformationsprozesse haben in der Nachwendezeit die Kulturpolitik
im Osten Deutschlands vor besondere Herausforderungen gestellt, auch politisch
geschärft. Einer zunächst hohen Arbeitslosigkeit, dem schlagartigen Verfall der
Großindustrien oder einem rapiden Geburtenrückgang standen die erkämpften Optionen
einer offenen Gesellschaft gegenüber. Es ging für die Kultur darum, sich nicht im
Treibsand der Geschichte zu verlieren. Es ging um den Erhalt bewährter wie die
Formulierung zukunftsweisender Strukturen. Auch heute lohnt ein Blick in diese
kulturpolitische Werkstatt der Nachwendezeit.
So wurde in der Landeshauptstadt Magdeburg auf der Grundlage themenbezogener
Diskussionsergebnisse der prozentuale Anteil der Kultur am konsumtiven Haushalt
nahezu verdoppelt und konnten für den investiven Bereich in nur innerhalb einer Dekade
Entscheidungen auf den Weg gebracht werden, deren Umfang in der Geschichte der
Stadt ohne Vergleich ist.
Parallel hierzu wurden seitens des Kulturdezernates wiederholt Jahresthemen im
städtischen Kalender besetzt, es wurde die Kultur als bedeutender Einflussfaktor auf die
Stadtentwicklung anerkannt sowie die Bewerbung der Stadt um den Titel der
Europäischen Kulturhauptstadt als Ergebnis eines gestiegenen kulturpolitischen
Selbstbewusstseins beschlossen.
(Rüdiger Koch)
Die DenkAkte wird in ihren Inhalten und ihrer Struktur auch diese Erfahrungen
widerspiegeln.
Die Website ist offen für Vor- und Nachgedachtes, wirklich Neues und Unerwartetes, für
das Ausleuchten der Potenziale des Möglichen. Es ist nicht die Zeit, die uns treibt,
sondern die stetige Neugier!
Verwendete Literatur
Fricke, Almut (2013/2012): Kulturelle Bildung im Dialog zwischen Jung und Alt. In:
Kulturelle Bildung Online
Koch, Rüdiger (2014): Ein Europäisches Kulturmanifest. Erfahrungen, Erkenntnisse,
Hoffnungen, Wünsche. In: Forum Gestaltung (Hrsg.): Magdeburg sein – Kulturhauptstadt
werden. Magdeburg 2014.
Koch, Rüdiger (2016): Potenziale des Möglichen in Magdeburg. Verantwortung
übernehmen und kulturpolitisch handeln. In: Institut für Kulturpolitik der kulturpolitischen
Gesellschaft (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2015/2016. Bd. 15. Thema:
Transformatorische Kulturpolitik, 85 -88.