Dr. phil. Rüdiger Koch
Religion und Kunst: Entfremdete Schwestern mit Zukunft?
Aktualisiert: 8. Nov. 2020
WWerden die Anfänge der Kunst im Sakralen gesehen, bezeichnete „colere“ bis ins
Mittelalter gleichermaßen landwirtschaftliche Kultivierung und religiöse Verehrung,
so hat sich diese Einheit von Kunst und Religion mit der Renaissance aufgelöst.
Wissenschaft und Ökonomie dominieren unsere Gegenwart. Kunst und Religion,
beide ursprünglich systematisch über das Bild als Symbol verbunden, welches auf
die Transzendenz verweist, werden in einer säkularisierten Welt so zu einer
mimetischen Attitüde, zum schmückenden Luxus und damit selbst spekulativer Teil
einer ökonomisierten Gesellschaft.
Kunst und Religion sind Ausdruck kulturellen Lebens. Aus religiöser Sicht basiert
jedoch jedwede Kunst auf einem geistlichen Hintergrund, ohne dessen Sein Kultur
nicht wäre.
Im Ergebnis der durch die Reformation eingeleiteten Entwicklung sah Hegel ein Ende
der Kunst als Symbol der Wahrheit. Wird somit die transzendentale Begründung von
Kunst zur Floskel, gibt es noch religiöse Kunst? Sind inhaltlich sich nähernde
Begegnungen zwischen Künstlern und Kirche deshalb nicht eher vordergründig?
Bedarf es nicht eher einer diskursiven Distanz?
Religion und Kunst mit ihren Haltungen und Ausprägungen sind gleichwohl
Bestandteil unserer säkularisierten Gesellschaft. Diese droht dem verantworteten
Bemühen um ethische Haltungen ähnlich wenig Relevanz beizumessen, wie der
Religion und der Kunst als Sinnstifter.
Renaissance und Reformation mögen Wegbegleiter dieser Entwicklung gewesen
sein. Gleichzeitig ist es Martin Luther, der uns durch seine Haltung auf dem
Reichstag zu Worms bis heute beeindruckt. Sind andererseits Kunstausstellungen
oder Theaterinszenierungen, die sich als Publikumsmagnete erweisen, nicht mehr
als eventgesteuerte Flashlights in einer ansonsten vom ökonomischen Takt
getriebenen Gesellschaft?
Sehen wir unsere Kultur als Ergebnis menschlichen Handelns und Zusammenlebens,
dem ethische Haltungen zugrunde liegen, so stellt sich hiermit unmittelbar die
Zukunftsfrage nach der Bedeutung von Religion und Kunst.